Barbara Krohn
Die Liebe der anderen
Belletristik
978-3-7466-2141-8
206 Seiten, Taschenbuch
7,99
Leseprobe:
Im geräuschlosen Ankleiden hatte sie Übung. Selten stieß sie im Dunkeln gegen eine Bettkante, einen Stuhl. Ihre Bewegungen waren umsichtig, ohne Hast. Allenfalls faschelte der Stoff ihrer Jeans, manchmal, wenn sie sich aufrichtete, knackten ihre Gelenke. Dass in den Altbausohnungen Dielen knarrten, ließ sich nicht vermeiden. Teppichböden und gut geölte Haustüren machten es leichter, unbemerkt zu verschwinden.
Sie hatte nie Lust zu erklären, weshalb sie nicht bis zum Morgen blieb. Sie wollte kein gemeinsames Frühstück, keine Erklärungen und keine Fragen, etwa, ob man isch wiedersehen werde. Keine Fragen, keine Antworten. Und keine Versprechungen, womöglich falsche. Diese Geschichten waren von Anfang an begrenzt, nicht nur zeitlich. Eine halbe Nacht.
... Auf ihren Wegen durch die Stadt dachte Carmen zurück an die Wohnungen und die zugehörigen Männer und Übereinstimmungen und Irritationen, denn manchmal wichen die Wohnungen erheblich von den Männern ab. Der forsche Flirter mit dem Ferrari zum Beispiel, der ihr zu Hause, als Drink gewissermaßen, völlig überraschend ein Glas frische Milch angeboten hatte, und als zweiter Akt dann Auftritt im Flanellschlafanzug und Eintritt in ein eisgekühltes Schlafzimmer, denn Milch macht müde Männer Munter, und frische Flanellluft bringt gute Träume ...
Oder dieser schüchtern wirkende, blasse Einsneunzigmann von Anfang Oktober, dem sie sich schon in ein möbliertes Zimmer samt neugieriger Vermieterin folgen saht. Statt dessen bewohnte er einen spüärlich eingerichteten Loft mit riesiger Futonmatratze in der Mitte, und rundherum wie nächtliche Besucher von fernen Planeten eigenhändig zusammengeschweißte Skulpturen aus Eisenteilen vom Schrottplatz, stumme Zuschauer ihrer Lust.